Musik Reviews Germany

Der slowakische Gitarren-Neuerer, Filmmusik-Komponist und Klangdesigner David Kollar (u.a. auch auf Steven Wilsons "To The Bone" und bei dem österreichischen Clicks-&-Cuts-Künstler Christian Fennesz zu hören) ist im virtuellen Hause Musikreviews ein gern gesehener Gast und macht sich auch mit seinem neuen Projekt keineswegs unbeliebt. 

"Illusion of a Separate World" ist ein Dropbox-Album. Es entstand per Austausch über den gleichnamigen Speicher-Clouddienst und wird seinem Titel insofern gerecht, als Kollar und der Norweger Arve Henriksen - ein meisterlicher Trompeter und seinerseits genauso revolutionär veranlagt, wo der Gegenwartsmusikbetrieb auf Nummer sicher geht - ihre geografische Distanz zueinander aufgehoben haben. Im Winter 2017 verbrachte der Gitarrist einige Zeit bei einem Freund im italienischen Faenza: Trompeter Paolo Ranieri. Dort enstand ein musikalisches Tagebuch, wie er es nennt, als Rumpf für das hier gebotene Material. 

Die zwölf aus 17 Fragmenten zusammengesetzten Tracks funkeln, ohne Funken zu sprühen, wirken gespenstisch und dennoch einladend, streichen Ambient und Drone durch einen weltmusikalischen Filter und sind nur in Teilen jazzig, auf jeden Fall aber freigeistig. Die beiden Schöpfer lernten sich erst 2017 kennen und spielten im Vorfeld der Aufnahmen lediglich zweimal gemeinsam, erst beim Spectaculare Festival in Prag und dann anlässlich eines Hevhetia-Labelkonzerts in der Slowakei. Skandinavische Kühle trifft auf elektronische Verfremdungen und ungleich erdigeren Post Rock, der seit je fester Bestandteil von Kollars Repertoire und eine seiner privaten Vorlieben als Musikhörer gewesen ist. 

Der Filmscore-Charakter vieler Passagen auf dem Album ergibt sich aus geloopten Geräuschen und unorthodoxen Spieltechniken oder einfach nur Arves trickreiche Methoden, seinem Instrument Klänge zu entlocken. David wagt gleichzeitig eine Umdeutung der Gitarre zum Synthesizer, spielt aber zuweilen durchaus auch melodisch im herkömmlichen Sinn. All dies zusammen ergibt weniger Songs als Soundevents oder regelrechte Soundmauern, aufgebaut aus Spuren über Spuren. Die Tücken des Internet-Zeitalters sind in diesem Fall keine solchen gewesen, sondern ein Segen. 

FAZIT: Dass das aus Improvisationen erarbeitete Material für "Illusion of a Separate World" in Teilen auch familiäre Schicksalsschläge von David Kollar verarbeitet, kann man beim Hören allenthalben erahnen. Der Longplayer wirkt wie eine lange Suite, heiß-kalt und voller Möglichkeiten, sich die reale Welt anders zu denken, so wie Henriksen und Kollar Klangmanipulation im Sinne einer Neuerung betreiben. 


L I N K